Peritalk: Die erste Zahl und ihre Tücken

Am 06. März 2025 versammelten sich rund 70 geladene Gäste im Bogen F in Zürich. Bei den ersten warmen Temperaturen drehte sich die Diskussion um ein Thema, das jedes Bauprojekt betrifft – die «verflixte erste Zahl». Kaum ausgesprochen, entfaltet die Zahl bei jedem neuen Projekt eine enorme Wirkung: Sie setzt Erwartungen, definiert Spielräume und kann den Verlauf eines gesamten Projekts massgeblich beeinflussen. Ist sie zu niedrig angesetzt, kann das Projekt ein endloser Kampf werden. Ist sie zu hoch, wird es womöglich gar nicht erst realisiert.

Unsere Panel-Gäste Jasmin Winterer (Vorstandsmitglied wipswiss), Daniela Zimmer (Zimmer Schmidt Architekten), Prof. Dr. Roland Füss (Lehrstuhl für Real Estate Finance, HSG) und Ian Jenkinson (Amt für Hochbauten Stadt Zürich) diskutierten ihre unterschiedlichen Sichtweisen auf die erste Zahl. Moderiert wurde der Peritalk von Michael Hauser, Projektlotse und unabhängiger Verwaltungsrat.

Perspektiven auf die erste Zahl

Die erste Zahl muss benannt werden, sonst hat man den rosa Elefanten im Raum.“

Daniela Zimmer

 

Daniela Zimmer hat in über 15 Jahren in ihrem Büro zahlreiche Projekte begleitet. Doch in all den Jahren gab es nur ein einziges Projekt, bei dem die erste Zahl von Beginn an für alle Beteiligten stimmte – ein seltener Glücksfall. Das zeigt, wie anspruchsvoll der Umgang mit dieser Zahl für Architekten ist und wie oft die Kosten und/oder das Projekt korrigiert werden müssen.

 

„Sparen heisst auch, bewusst zu verzichten.“

Jasmin Winterer

Jasmin Winterer von der Stiftung Abendrot betrachtet die erste Zahl aus einer doppelten Perspektive: Einerseits muss eine Rendite für institutionelle Investoren erwirtschaftet werden, andererseits steht die Stiftung für hohe Transparenz. Diese Offenheit erfordert ein klares Verständnis für die Kosten – aber auch für die Bedürfnisse, die hinter diesen Kosten stehen. Denn nur wer genau versteht, welche Faktoren die erste Zahl beeinflussen, kann realistische und tragfähige Entscheidungen treffen. Mit einem Design-to-cost Ansatz kann klar definiert werden, wo später in der Bauleitung auch reduziert werden kann.

„Die erste Zahl hat eine grosse Auswirkung.“

Roland Füss

Roland Füss betrachtet die erste Zahl aus der Perspektive eines Investors. Sie ist weit mehr als nur eine erste Schätzung, denn sie hat unmittelbare Auswirkungen auf die gesamte Rendite eines Projekts. Deshalb ist es aus Investorensicht essenziell, den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie zu analysieren und wirtschaftlich durchzurechnen. Ob Neubau oder Bestand, Miete oder Regulierung – die Zahl hängt von zahlreichen Faktoren ab: dem Umfeld, den Materialkosten, der Finanzierung und der Lage. Eine fundierte Kalkulation ist daher entscheidend für den langfristigen Erfolg eines Projekts.

Es gibt nicht die eine Zahl.“

Ian Jenkinson

Ian Jenkinson betrachtet die erste Zahl als Teil eines grösseren Ganzen. Statarische Planung, Machbarkeitsstudien, Zustandsanalysis, Bedarfsanalysen, Nutzungskonzepte, Betriebskonzept – vieles ist im Fluss. Kosten hängen von all diesen Faktoren ab, aber auch von langfristigen Faktoren wie Instandhaltung- und Nachhaltigkeitsziele. Zudem spielen politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen eine Rolle.

Fazit: Die erste Zahl als Chance

Ob Bauherr, Architekt oder Investor – alle haben dasselbe Ziel. Die Herausforderung liegt darin, mit der ersten Zahl realistisch und verantwortungsbewusst umzugehen. Ein zu niedriger Wert kann langfristig zu massiven Problemen führen, ein zu hoher verhindert den Start des Projekts. Die Kunst liegt darin, eine Zahl zu finden, die realistisch, machbar und nachhaltig ist. Gar nicht so kompliziert? Vielleicht doch. Aber mit den richtigen Werkzeugen, Erfahrung und Transparenz kann man die erste Zahl von einem Hindernis in eine Chance verwandeln.